Das erste Mal, dass ich in Nottuln der Traurigkeit begegnete, war im Musikunterricht der achten Klasse. Ich saß in der letzten Reihe neben Thomas Osterschulte. Meine Mitschüler sangen »I like the flowers, I like the daffodils« im Kanon. Kurz vor unserem Einsatz drehte sich Thomas um, mit einem Finger nach vorne zeigend, und flüsterte mir hinter vorgehaltener Hand etwas zu. Er sagte: »Wusstest du, dass Frau Hedewig in den Osterferien Bleichmittel getrunken hat und ins Krankenhaus eingeliefert wurde?«
Nottuln, die westfälische Kleinstadt mit den gepflegtesten Hecken und dem traurigsten Gossip. Hinter den sauber verklinkerten Mauern der Einfamilienhäuser hören wir davon, wie eine missliche Begegnung zweier Nottulner in einem Gelsenkirchener Etablissement zum Mythos wird; wie Nottulns einzige Punkerin Waltraud vor dem Edeka-Center einen Unfall baut; wie deprimierend punktgenau Frau Obering ihren Schüler:innen die berufliche Zukunft vorhersagt; wie Kieferorthopädensohn Johannes Tedesco einem Warsteiner-Erben Saures gibt und der Gemeinderat Karl-Rudolf Hülsbeck sich von seinem lang gehegten Lebenstraum, einem Nottulner Skatepark, verabschieden muss. Mit seinem ganz eigenen Witz und großem Gespür für die Tragik des Kleinstadtalltags schleust uns Jonas Rump in seinem ersten Erzählband durch die Parallelwelt seiner Heimatstadt, macht uns mit ihren exzentrischen, verstrahlten, verlorenen, immer aber liebenswerten Bewohner:innen bekannt und erspürt dabei die unwahrscheinliche Traurigkeit, die sie alle umgibt.
»Ein sehr guter Erzähler. Ich verneige mich vor Jonas Rump – und Oberursel verneigt sich vor Nottuln.« (Leonhard Hieronymi)
»Kannst du nicht das mit dem Traurigen aus dem Untertitel nehmen?« (Claudia Rump)