»Nach dem Ende seiner Karriere als „Arbeitergitarrist“, Sänger und vor allem Texter bei der Freiburger „Politsexträsch“-Texter FleischLEGO widmet sich Bdolf jetzt vorrangig seinen Texten, die bereits die Songs besagter Band vorteilhaft vom Gros deutscher Punkmusik abhoben. Der FleischLEGO-Sound selbst war dabei aber nie eigentlich Trash im musikalischen Sinne – das Schlechtspielen oder Schlechtaufnehmen war nie eine wesentliche Bedeutungsebene dieser Musik, die durch ihre ansprechende Gestaltung eher als effektives Trägermedium der Texte diente. Die sind ihrerseits nämlich Trash-Literatur im besten Sinne, und vier davon – ein Gedicht und drei Erzählungen – liegen jetzt unter dem Titel „Populäre Mechanik“ sozusagen als Print-Ep vor. Parallel dazu ist die zweite Kassette von Bdolfs Soloprojekt „Noize Rocker“ erschienen, die – ähnlich wie schon die B-Seite (sic!) der letzten FleischLEGO-CD „Kein Schlaf bis Tromsø – eine Hörcollage bildet, bei der die Musik und Geräuschanteile die vorgelesenen Texte illustrieren. Dabei wird die Tendenz zu ‚dissidenter‘ (Selbst-)Stilisierung der Popmusik von Rock bis Techno genüßlich durch Rauschen, Schnitte und Zitate aus realsozialistischem Ostrock zerstückelt – und eben durch die Texte: „The Waigel liebt die Rolling Stones […] Theo Waigel fehlt bei der Love Parade“. So entlarvt das Stück „Steuern auf den Penis von Helmut Kohl“ die Popligkeit poplinker Beschwörungen politischen Widerstands durch Musik angesichts von Vorgängen, die solchem Musikschaffen schlicht die materielle Basis entziehen könnten. Die Themen Politik und Sex wären damit schon angesprochen, und der Trash-Faktor als weitere negative Kommentarebene zur vorgeführten Musik ist auch da. Die Kassette ist nämlich nicht mangels technischer Fähigkeiten schlecht aufgenommen, vielmehr wurde das Rauschen teilweise bewußt dazugemischt. Denn Trash in der Popmusik ist ja immer das provokative Zurückbleiben hinter bestimmten Hörer-Erwartungen an (spiel- und aufnahme)technische Ausgefeiltheit, die sich zum letztverbindlichen Maßstab für die Relevanz eines Popsongs aufschwingt. Solche Hörer operieren mit einem klassischen Musikbegriff, der Pop nicht angemessen ist, weil für die Bewertung eines Pop-Produkts immer auch außermusikalische (v.a. Texte, aber auch Tanzstile, Images, soziale Kontexte der Hörer usw) Bedeutungsebenen herangezogen werden müssen. Analog funktioniert Trash auch in Bdolfs Texten, seien es Songtexte, Gedichte oder Prosa. Die Les-Erwartungen, die man in einem literarischen Text sabotieren kann, sind dabei doppelt gegliedert: in Erwartungen an den Inhalt und solche an die Form. In „Populäre Mechanik“ wird das Funktionieren von Trash-Literatur geradezu mustergültig vorgeführt: zunächst einmal wird durch das Zitieren von bekanten Titeln der Erwartungshorizonzt einer bürgerlichen Literaturgeschichtsschreibung hinsichtlich ‚literarischer Qualität‘ und ‚Klassizität‘ aufgerufen: Mörike (Die schöne Lau), Kafka (Die Verwandlung) und Böll (Ende einer Dienstfahrt) sind die seriösen Gewährsleute. Dieser Erwartungshorizont wird dann in mehrfacher Hinsicht unterlaufen: durch die einem trostlosen, aber jeder tragischen Größe entbehrenden (Arbeits- und Beziehungs-)Alltag entnommen Sujets, durch die absurd wirkende Brutalität der Todesszenen, mit denen alle drei Geschichten enden, und durch die Verwendung von Versatzstückenaus der sog. ‚Trivialkultur‘ (in diesem Band dienen Motive und Strategien von Porno-, Horror- und Fantasy-Stories eine Rolle; zentral für Bdolfs sonstige Arbeit sind aber auch Science-Fiction-Motive und Ikonen der Pop- wie der ‚Hochkultur‘ – von Heinz Rudolf Kunze, Peter Frankenfeld, Inge Meysel, Peter Handke, Ernst Jünger…), welche zentrale Elemente der Handlung liefern. Subversiver Trash wie der von Bdolf reproduziert ‚Pulp fiction‘ nicht um ihrer selbst willen; vielmehr bringt er die verschiedenen Versatzstücke in ein Konfrontationsverhältnis zueinander, in dem sie sich gegenseitig kritisieren. So ist es aufgrund der einleitenden Horrorbilder nicht möglich „Die Verwandlung“ als männlichkeitsstabilisierende Verherrlichung von Masturbationsritualen zu lesen; andererseits stören die als sehr alltäglich präsentierte sexuellen Phantasien aber auch das ‚wohlige Schaudern‘ mit dem einem die Horrorszenen zu verstehen geben: die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit ist immer noch fest.Durch diese Strategie der gegenseitigen Konterkarierung unterläuft gute Trash-Literatur stets den Anspruch auf die geborgte Authentizität des prolligen Groschenromans, der als hochkommerzielles Produkt seiner freien Ausdrucksmöglichkeit ja mindestens genauso entfremdet ist wie jedes andere Kunstprodukt. Sobald die Klischees verschiedener Genres aufeinandertreffen, entlarven sie sich im Vergleich mit den jeweils anderen als reine Formeln, die nach streng festgelegten Codes funktionieren; ein spezieller ästhetischer Reiz von Trash besteht eben im Erkennen solcher Formeln und im Nachvollziehen der Ironisierung (durch Relativierung), die sich durch die Verpflanzung in einen anderen Kontext erfahren. Je stärker die verwendeten Versatzstücke mit politischen Bedeutungen aufgeladen sind („wenn abgetrennte Köpfe von Bundeskanzlern in meinem Kühlschrank materialisieren“), desto stärker die ideologiekritische Wirksamkeit dieses Verfahrens. Diese ist auch dringend notwendig in einem historischen Moment, da soziale Netze systematisch abgebaut werden, eine Praxis, die zu ihrer ideologischen Kaschierung und Abfederung Literatur als esoterische Ganzheitserfahrung durch Erzählen (Peter Handke) oder als Mythos vom großen Vereiniger (Botho Strauß) besonders fördert. Trash-Literatur geht dabei noch einen Schritt über die kritschen Spielarten postmoderner Literatur hinaus, mit denen sie ihre inhaltlichen Strategien teilt. Indem sie nämlich auch formale Trivialitäten und abgedroschene Leerformeln (etwa daß der Baggerführer „schimpfte wie ein Rohrleger“) und sogar ungeschickten Satzbau, kurz, daß ‚Rauschen‘ im Medium Literatur, zu einem Bestandteil ihrer Struktur erhebt, präsentiert sie sich quasi als Produkt ‚mit technischen Mängeln‘ und bezeichnet damit, daß sie sich der Entfremdung des Kunstwerks zur Ware verweigert, indem sie ihren ökonomischen Tauschwert reduziert: auf symbolischer Ebene ermöglicht Trash damit die Utopie eines authentischen Sprechens durch die Neukombination und Neubesetzungen vorgegebener Diskurse – und diese Authentizität weist sich gerade durch ihr demonstratives Desinteresse an der virtuosen Beherrschung irgendwelcher Konventionen als eine ‚demokratische‘ Authentizität aus, als eine Punk-Position, die jedem zugänglich ist, als das Recht der Rede, das es gegen die elitären Hohepriester der „Genialität“ durchzusetzen gilt. Konsequenterweise sind die Produkte von Bdolf nicht über kommerzielle Vertriebswege erhältlich – trotz aller Selbstironisierung des revolutionären Pathos wird deutlich, daß das Verhältnis von Kunst und Kapitalismus eine todernste Frage aufwirft, nämlich die, ob ein Außerhalb dieses Systems überhaupt noch zu denken ist.« (Gerald Fiebig, Zeitriss 2)
»BDolf, besonders bekannt durch seine Band FleischLEGO und seine ziemlich harten Beschreibungen sexueller Ausschweifungen von Kanzlerpaaren oder seiner geldgierigen Prominentenärztecrew um Dr. Eisenmengele, präsentiert hier einige neue Texte um betrunkene Baggerfahrer mit tödlichen Visionen an eiskalten Tagen oder von fremdgehenden Chemielehrern, die nachts tödlich mit dem Solex verunglücken. Bei den Geschichten wurde ich allerdings das Gefühl nicht los, daß BDolf nach dem Motto verfährt: „Spießer-Schwein begeht Unrecht oder wird vom Leben in den Arsch getreten und bekommt seine Strafe bzw. Schicksal.“ Aber vielleicht sollte ich solch unterhaltsamen Texten diese Absicht nicht unterstellen und eher als richtig nette Horrorstories ansehen.« (Andreas Reiffer, S.U.B.H. 23)